Isotretinoin: der derzeit wohl „effektivste“ Akne-Wirkstoff
Isotretinoin ist hochwirksam gegen Akne. Eine systemische Therapie – der Wirkstoff wird in Kapselform eingenommen – kann schwere Akne langfristig oder dauerhaft „heilen“. Isotretinoin wird auch topisch angewendet, d.h. es ist Bestandteil von Cremes oder Gelen, die auf die Haut aufgetragen werden.
Isotretinoin (chemisch: 13-cis-Retinsäure) ist ein Retinoid der ersten Generation und chemisch mit Retinol (Vitamin A) verwandt. Es kommt sogar in sehr geringen Konzentrationen im menschlichen Körper als Abbauprodukt von Vitamin A vor.
Wirkung von Isotretinoin
Seine effektive Wirkung gegen Akne bei einer systemischen Therapie beruht vor allem auf der starken Hemmung der Talgüberproduktion. Diese spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Akne.
Außerdem wirkt Isotretinoin der Keratinisierung – also Verhornung – der Talgdrüsenfollikel entgegen. Und es hemmt Entzündungen.
Der Wirkstoff verhindert nicht direkt das Wachstum des Aknebakteriums Propionibacterium acnes. Trotzdem sorgt vor allem die verminderte Talgproduktion für ungünstige Bedingungen: P. acnes wird die Nahrung entzogen, somit hemmt Isotretinoin indirekt das Wachstum der Aknebakterien.
Wissenschaftliche Studien aus den Jahren 1996 bzw. 2003 weisen darauf hin, dass Isotretinoin die Androgenproduktion vermindert.
Isotretinoin bekämpft Akne somit auf vielen Ebenen. Die genauen Wirkmechanismen sind jedoch noch nicht vollständig geklärt.
Keine Wirkung ohne Nebenwirkung
Mit Isotretinoin lässt sich Akne sehr effektiv behandeln – allerdings nicht ohne „Risiko“.
Viele Patienten leiden unter Nebenwirkungen, die zum Teil sehr schwer sein können. Sie sind der Grund, warum systemisches Isotretinoin in der aktuellen deutschen S2K-Akne-Leitlinie vor allem als Basistherapeutikum bei schwerer Akne (A. papulopustulosa nodosa oder conglobata), die nicht auf systemische Antibiotikatherapie und topische Therapie anspricht, empfohlen wird. In Einzelfällen und bei besonderen klinischen Verläufen kann eine primäre Therapie mit Isotretinoin jedoch mittlerweile auch empfohlen werden.
Die Auswertung von Isotretinoin-Dosisfindungsstudien in Bezug auf die Sicherheit ergab eine dosisabhängige Steigerung der Nebenwirkungsrate bei höheren Dosierungen.
Eine anzutreffende Komplikation ist eine deutliche Verschlechterung der Haut zu Beginn der Behandlung. Normalerweise bessert sich dieser sogenannte „Flare-up“ nach zwei bis drei Wochen von selbst.
Wichtig zu wissen ist auch, dass unter der systemischen Therapie mit Isotretinoin Nachtblindheit auftreten kann.
Da Isotretinoin die Talgproduktion hemmt, hat das Auswirkungen auf die gesamte Haut und die Schleimhäute: sehr trockene Haut, rissige Lippen oder trockene Augen (für Kontaktlinsenträger zu beachten) können vorkommen, sind aber gut zu behandeln.
Häufige, „leichte“ Iso-Nebenwirkungen behandeln
Es gibt Iso-Nebenwirkungen, mit denen kämpfen eigentlich alle. Je nach Dosierung jedoch unterschiedlich stark. Hier gibt es einige Anregungen für Mittelchen, die das „Leben mit den Nebenwirkungen“ angenehmer gestalten.
Trockene Haut
Trockene Haut während der Iso-Therapie lässt sich gut mit einer reichhaltigen Feuchtigkeitspflege behandeln, empfehlenswert sind bspw. die Avene Cleanance HYDRA Beruhigende Feuchtigkeitspflege, Cetaphil Creme oder die Toleriane Riche von LaRochePosay.
Trockene Lippen
Jeder, der Isotretinoin nimmt, hat wohl Probleme mit trockenen, rissigen Lippen, wie stark, hängt von der individuellen Dosis ab. Hier bieten sich zur Behandlung Lippensticks oder Lippencremes an, wie die BEPANTHOL Lippencreme, der EUCERIN pH5 Lip Aktiv Stift, der BLISTEX MedPlus LSF 15 Tiegel oder der CARMEX Lippenbalsam Stift. Für den Gebrauch tagsüber ist ein Stick/Stift in der Regel praktischer, für die Nacht kann dann bspw. auch Vaseline genutzt werden, wenn man sehr trockene, rissige Lippen hat.
Trockene Nasenschleimhaut
Auch die Nasenschleimhaut kann bei manch einem arg trocken werden. In dem Fall hilft eine gute Nasenpflege, wie z.B. das GELOSITIN Nasenpflege Spray oder das BEPANTHEN Meerwasser Nasenspray.
Sonnenempfindlichkeit
Sobald die Sonne draußen scheint, sollten „Iso-Nehmer“ für ausreichenden Sonnenschutz sorgen, denn die Haut ist einfach viel empfindlicher und es drohen irreparable Schäden (bspw. Pigmentierung). Im Sommer am besten LSF 50+. Sehr beliebt sind z.B. die Ladival Sonnenschutz-Gels. Auf akne-blog.de gibt es zum Thema Sonnenschutz einen eigenen Artikel.
Trockene Augen
Gegen trockene Augen helfen Augentropfen, wie bspw. HYABAK, HYLO-COMOD (ohne Konservierungsstoffe) oder Cellufresh. Alternativ auch die BEPANTHEN Augen- und Nasensalbe oder das TEARS Again Liposomales Augenspray.
Blutfette und Leberenzyme: Kontrolle notwendig
Da Isotretinoin vor allem in der Leber abgebaut wird, kann es zur vermehrten Produktion bestimmter Leberenzyme kommen. Deshalb sollten die Blutwerte regelmäßig kontrolliert werden. Auch wenn sich die Leberfunktion nach Ende der Therapie im Regelfall wieder normalisiert, ist Isotretinoin für Menschen mit Leberproblemen nicht unbedingt geeignet. Auch erhöhte Bluttfettwerte können gegen eine Behandlung mit Isotretinoin sprechen, da es zu einem Anstieg von Cholesterin und Triglyceriden im Blut kommen kann.
Akne-Patienten, die an Diabetes mellitus leiden oder dazu neigen, können unter Umständen auch kein Isotretinoin einnehmen. Dies entscheidet im Einzelfall der Arzt. Er wird dann auch die Blutzuckerwerte während der Behandlung genau kontrollieren.
Besonders junge Erwachsene oder Heranwachsende können von Muskel- oder Gelenkschmerzen betroffen sein. Eine weitere Nebenwirkung kann die Verdickung der Knochen sein.
Patienten müssen zwar mit Nebenwirkungen rechnen, in den allermeisten Fällen sind diese gut zu behandeln oder durch sorgfältige Kontrollen in den Griff zu bekommen. Für Patienten mit schwerer Akne überwiegt der Ausblick auf eine womöglich dauerhafte Heilung oder zumindest längerfristigen Linderung/Beseitigung der Beschwerden.
Schwere Nebenwirkungen in seltenen Fällen
In wenigen Fällen kann es zu schwerwiegenden Nebenwirkungen kommen. So ist bekannt, dass Isotretinoin schwere, sehr seltene Hautreaktionen hervorrufen kann. Außerdem steht das Medikament im Verdacht, Depressionen bis hin zu Selbstmordgedanken zu verstärken. Deshalb beobachten Ärzte Patienten, die mit Isotretinoin behandelt werden verstärkt im Hinblick auf Depressionen.
Ebenfalls nicht sicher ist, ob Isotretinoin Darmentzündungen hervorrufen kann.
Isotretinoin: gefährlich für das ungeborene Kind
Ein weiteres Problem bei Isotretinoin ist seine teratogene Wirkung. Das heißt, es kann schwere Schädigungen beim ungeborenen Kind hervorrufen. Das gilt schon für die ersten Wochen der Schwangerschaft. Schwangere oder stillende Aknepatientinnen dürfen Isotretinoin nicht einnehmen. Für Frauen im gebärfähigen Alter gelten daher besondere Vorsichtsmaßnahmen:
- Die Frauen sollen umfassend von ihrem Arzt über die Risiken aufgeklärt werden.
- Patientinnen müssen versichern, dass sie sorgfältig verhüten.
- Vor Therapiebeginn müssen zwei negative Schwangerschaftstets vorliegen. Zwischen beiden sollen vier Wochen liegen.
- Während der Therapie – und bis zu fünf Wochen danach – wird alle vier Wochen auf eine mögliche Schwangerschaft getestet.
Was alle Isotretinoin-Patienten beachten sollten
Frauen müssen besonders darauf achten, sorgfältig zu verhüten. Es gibt aber noch andere Dinge, die alle Patienten tun oder eben nicht tun sollten, um Neben- oder Wechselwirkungen bei einer systemischen Behandlung mit Isotretinoin zu vermeiden. Patienten sollten…
- … auf intensiven Sport bzw. körperliche Belastung verzichten: Muskel- und Gelenkschmerzen als Nebenwirkung treten nämlich besonders unter körperlicher Belastung auf. In seltenen Fällen kann es zur Auflösung von Muskelfasern kommen. Dies kann jedoch durch regelmäßige Kontrolle bestimmter Blutwerte rechtzeitig erkannt werden.
- … auf Peeling und Wachsenthaarung im Gesicht während und bis zu sechs Monate nach der Therapie verzichten. Beides reizt die Haut zusätzlich, die durch die Wirkung des Isotretinoins zur Trockenheit neigt.
- … auf Rauchen verzichten: Rauchen steigert die Wahrscheinlichkeit, dass die Akne nicht vollständig ausheilt und es zu einem Rückfall kommt.
- … Isotretinoin-Tabletten unbedingt mit einer fetthaltigen Mahlzeit oder einem Glas Milch einnehmen: Der Wirkstoff wird sehr viel schlechter aufgenommen, wenn er auf nüchternen Magen eingenommen wird. Die zur erfolgreichen Behandlung notwendige Gesamtdosis kann dann möglicherweise nicht erreicht werden.
- … auf Vitaminpräparate, die hochdosiertes Vitamin A enthalten, verzichten: Isotretinoin und Vitamin A gehören zur gleichen Stoffklasse. Daher kann Vitamin A die Toxizität von Isotretinoin steigern.
- … Isotretinoin nicht gleichzeitig mit hochdosierten Acetylsalicylsäurepräparaten (wie bspw. Aspirin) oder Tetrazyklin einnehmen: Beides kann zu schweren Nebenwirkungen führen. Generell sollten Patienten die Einnahme zusätzlicher Medikamente mit ihrem Arzt absprechen.
- … kein Blut spenden während der Therapie mit Isotretinoin und bis zu einem Monat danach.
- … damit rechnen, dass sie keine Kontaktlinsen verwenden können, weil die Augen durch das Isotretinoin zu trocken sind: Dadurch kann das Tragen von Kontaktlinsen zu unangenehm sein.
- … damit rechnen, dass sie leichter Blasen an den Händen bekommen bei Sport wie z.B. Tennis oder Squash bzw. schwerer manueller Arbeit. Grund: Die Hornhaut wird durch die Behandlung mit Isotretinoin dünner.
- … die Sonne meiden bzw. einen Sonnenschutz mit hohem Lichtschutzfaktor verwenden, wenn sie sich im Sommer draußen aufhalten. Auch bei einer topischen Behandlung mit Isotretinoin. Die Gefahr einen schweren Sonnenbrand zu bekommen ist höher.
- … gereizte Haut – insbesondere ein Problem bei der topischen Therapie – mit einer Creme ohne Wirkstoff behandeln.
- … bei einer Behandlung mit Isotretinoin-Creme bzw. -Gel Augen, Mund und Nasenöffnungen aussparen: Das Isotretinoin reizt besonders die Schleimhäute.
Isotretinoin-Dosis von Patient zu Patient verschieden
Die Gesamtdosis an Isotretinoin beeinflusst das langfristige Ergebnis der Behandlung. Erfahrungen und klinische Studien zeigen, dass Patienten, die mit niedrigen Dosen behandelt werden, öfter unter einem Rückfall leiden, als Patienten, die höhere Dosen bekommen.
Um einem Rückfall vorzubeugen, sollten Patienten das Medikament mindestens sechs Monate einnehmen. Insgesamt über den ganzen Behandlungszeitraum gesehen, sollte bei schwerer Akne eine Gesamtdosis von 100 bis 120 mg pro Kilogramm Körpergewicht erreicht werden.
Es gibt aber noch eine Reihe von weiteren Faktoren, die einen Rückfall wahrscheinlicher machen. Dazu gehören zum Beispiel eine „erbliche Neigung“ zu Akne oder übermäßiger Talgproduktion, Akne an Gesicht und Körper oder viele entzündete Pickel.
Im Normalfall werden Patienten mit schwerer Akne für 6 bis 12 Monaten mit einer Tagesdosis zwischen 0,5 mg und 1,0 mg pro Kilogramm Körpergewicht behandelt. Die Anfangsdosis liegt zwischen 0,3 mg und 0,5 mg pro Kilogramm Körpergewicht.
Niedrigdosis-Therapie bei leichter und mittelschwerer Akne
Mildere Formen der Akne lassen sich langfristig erfolgreich behandeln, auch wenn die Gesamtdosis von 100 mg bis 120 mg pro Kilogramm Körpergewicht nicht erreicht wird, weil täglich geringere Mengen eingenommen werden. Der Vorteil einer Iso-low-dose-Therapie: weniger Nebenwirkungen. Letztendlich stimmt der Arzt die Einzelmengen und die Gesamtmenge individuell auf den Patienten ab: je nach Körpergewicht, Schwere der Erkrankung und wie gut der Patient Isotretinoin verträgt. In der Regel wird die Behandlung mit einer möglichst niedrigen Dosis begonnen, die dann gesteigert wird, falls keine zu starken Nebenwirkungen auftreten.
Welche Dosis für wen die beste ist, ist auch nach fast 30 Jahren Akne-Therapie mit Isotretinoin noch Gegenstand aktueller Studien. Isotretinoin ist seit Anfang der 70er Jahre bekannt, anfangs als Krebsmedikament. Durch Zufall entdeckten Forscher, dass es auch sehr effizient gegen Akne wirkt. Ursprünglich wurde es von Roche hergestellt. Seit 2009 sind nur noch Generika auf dem Markt. Eine Studie von Taylor und Keenan aus dem Jahr 2006 weist jedoch darauf hin, dass es Unterschiede zum Originalpräparat von Roche gibt. Die Forscher vermuten, dass die Generika möglicherweise weniger wirksam sind.
Fazit
Systemisches Isotretinoin ist eines der wirksamsten Medikamente gegen Akne. Bisher gibt es kein anderes Medikament, das direkt oder indirekt alle pathogenetischen Faktoren der Akne so effektiv regulieren kann.
Isotretinoin kann auch topisch angewendet werden. Insbesondere bei der systemischen Therapie sollten Patienten mit Nebenwirkungen rechnen.
Da der Wirkstoff fruchtschädigend wirkt, müssen Frauen sorgfältig verhüten. In der Regel wird die Dosis individuell an den Patienten und den Schweregrad der Akne angepasst.
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Guter Artikel!
Das mit dem Isotretinoin ist so eine Sache. Natürlich hilft es einerseits sehr gut bei sehr vielen Patienten. Die Nebenwirkungen sind allerdings potenziell auch sehr schwerwiegend. Ich denke letztendlich sollte man sich die Einnahme sehr gut überlegen und nur mit einem Arzt, dem man vertraut, sprechen!
Es gibt ja auch berühmte Beispiele, z.B. Jesse Jones, die Selbstmord wegen Isotretinoin begangen haben sollen.
Grüße, Dennis